Der Zukunftsprozess der IGBCE
- Macht es die sich rasant verändernde Umwelt erforderlich, dass wir unser Selbstverständnis und unsere Handlungsweisen einmal ganz grundlegend auf den Prüfstand stellen?
- Sind wir so, wie wir heute arbeiten und unsere Mitglieder vertreten, gut aufgestellt, um die Herausforderungen des kommenden Jahrzehnts und darüber hinaus anzugehen?
- Und haben wir den Mut und die Kraft, die Beantwortung dieser Fragen in aller Konsequenz anzugehen?
Darum geht es beim Szenarien- und Strategieprozess „Perspektiven 2030+“. In einer offenen Herangehensweise und unter breiter Beteiligung wollen wir unterschiedliche Perspektiven und Erwartungen mit Blick auf die Zukunft zusammenbringen.
Wir wollen anregen, über uns und unsere Arbeit nachzudenken. Wir wollen daraus Schlussfolgerungen für unsere weitere Aufstellung und Arbeit ziehen. Und: wir wollen auch Impulse geben für die Zukunftsdebatte im Deutschen Gewerkschaftsbund.
Warum Szenarien?
Szenarien sind stets als Einladung zum Dialog zu verstehen, die wir aussprechen möchten, um gemeinsam mit unseren Mitgliedern zu diskutieren und zu Verständigungen darüber zu gelangen, was für die Zukunft von Bedeutung sein wird und auf welche grundlegenden Entwicklungsalternativen wir vorbereitet sein sollten.
Wir wissen heute noch nicht, wie das Handlungsumfeld der IG BCE in fünf, zehn oder gar zwanzig Jahren aussehen wird. Wir können die Zukunft nicht vorhersagen.
Hier wird bereits deutlich, dass es bei Szenarien nicht darum geht, die Zukunft vorherzusagen. Schon der Umstand, dass sie stets in der Mehrzahl auftreten, unterscheidet sie von der Prognose. Szenarien sind aber auch keine Utopien, die „in einem fernen Land in einer unbestimmten Zeit“ spielen. Und sie beschränken sich nicht darauf, die Zukunft zu beschreiben, die wir uns wünschen. Szenarien spielen im Spannungsfeld zwischen dem, was wir schon absehen können und dem, was noch sehr ungewiss ist.
Letztendlich wird es darum gehen, zum gemeinsamen Handeln zu kommen, denn Szenarien sind Geschichten über die Zukunft, aber ihr Zweck liegt darin, bessere Entscheidungen in der Gegenwart zu treffen.
Vier Szenarien zu künftigen Handlungsumfeldern der IG BCE
„Unter Druck“, „Smartes Wachstum“, „Neuland“ und „Tohuwabohu“ – so heißen die vier Zukunftsbilder, die im Szenarien- und Strategieprozess „Perspektiven 2030+“ der IG BCE erarbeitet worden sind. Die Titel vermitteln bereits einen ersten Eindruck davon, welche Herausforderungen für die künftige Entwicklung der Branchen in unserem Organisationsbereich, für hier arbeitenden Menschen wie auch für uns als Gewerkschaft in den einzelnen Szenarien beschrieben werden.
Der Weg der Entwicklung der Szenarien war ein ausgesprochen vielstimmiger. In einem beteiligungsorientierten Prozess sind hunderte von ganz persönlichen Sichtweisen, Erwartungen und Anliegen bezüglich der Zukunft unserer Organisation mit eingeflossen. Zu diesem Zweck wurde eine online-basierte Befragung mit zwölf offenen Fragestellungen durchgeführt, an der sich 225 Personen beteiligt haben, ergänzt durch zahlreiche Einzelinterviews. In einem Workshop wurden die Entwicklungen in unseren unterschiedlichen Branchen von der Grundstoffchemie bis zu den Sportartikelherstellern in den Blick genommen. Bei acht Zukunftsworkshops in den Landesbezirken, einem Workshop des Bundesjugendausschusses sowie weiteren Veranstaltungen mit Betriebsräten und Beschäftigten von Unternehmen in unserem Organisationsbereich wurden Fragestellungen diskutiert, die sich aus ersten Szenarien-Skizzen ergeben haben. Ein Moderatorenteam unter der Leitung der Abteilung Politik und Gesellschaft, dass sich aus Kolleginnen und Kollegen aus den Bezirken und der Hauptverwaltung zusammensetzte, wertete die Ergebnisse dieser einzelnen Stationen aus und verdichtete sie in den Erzählsträngen der vier Szenarien. Konzipiert und begleitet wurde der Prozess vom Berliner Institut für prospektive Analysen (IPA).
Unsere 4 Szenarien
Szenario I: "Unter Druck"
Der Wettbewerbsdruck nimmt zu, Marktanteile gehen verloren, die Gewinnmargen werden kleiner. Noch zehrt das Land vom „Polster“ einstiger Technologieführerschaft, von seiner noch immer vorhandenen Exportstärke, von seiner nach wie vor vergleichsweise stabilen Gesellschaftsstruktur. Doch die Anzeichen verpasster Entwicklungsmöglichkeiten sind unübersehbar. Zu lange wurde zu wenig in neue Produktionsanlagen und Geschäftsfelder investiert. Die Infrastruktur wird zunehmend marode, weil auch der Staat kaum in deren Erhalt investiert hat. Immer mehr Unternehmen konzentrieren sich auf ihr Kerngeschäft – oder werden angesichts schwacher Umsatzentwicklung zu Übernahmekandidaten. Im Zuge von Restrukturierungs- und Sparprogrammen sowie der Digitalisierung verschwinden deutlich mehr (gut organisierte und mitbestimmte) Arbeitsplätze als neue entstehen. Die soziale Schere hat sich weiter geöffnet, immer mehr Menschen fallen aus der Mittelschicht, kommen nur knapp über die Runden. Das gesellschaftliche Klima ist geprägt von Pragmatismus und einer gewissen Duldungsstarre. Angesichts schwindender Mitgliederbasis und Tarifbindung fokussiert sich die Gewerkschaftsarbeit zunehmend auf die Stärkung von „Tarifinseln“ und gut organisierten Betrieben. Zudem geht es darum, den wachsenden Anteil der unsicher und oft auch schlecht bezahlten Beschäftigten – in den an Drittfirmen ausgegliederten Tätigkeiten, in der Leiharbeit oder bei den über die Plattformen vermittelten Werk- und Dienstverträge – gewerkschaftlich zu organisieren.
Szenario II: "Smartes Wachstum"
Deutschland ist bei der Digitalisierung, der Erschließung zukunftsträchtiger Geschäftsfelder und der klimagerechten Transformation weit fortgeschritten – unter anderem, weil die Politik massiv in Forschung, Infrastruktur und die Beschleunigung von Innovationsprozessen investiert hat. Die Herausforderungen des Klimawandels werden nicht zuletzt durch Technologien „Made in Germany“ – Intelligente Fertigung, Elektroantrieb, Power-to-X-Speicher, Brennstoffzelle, klimaneutrale CO2-Verwertung – konsequent und erfolgreich angegangen. Deutsche Unternehmen gehören weltweit zu den Treibern dieser Entwicklung und feiern dementsprechend Umsatzrekorde. Der gesellschaftliche Wohlstand hat sich entsprechend entwickelt, allerdings sind Anforderungen und Leistungsdruck gestiegen. In einem Land der Technologieführer wächst auch der Bedarf an qualifizierten Fachkräften kontinuierlich. Entsprechend verändert sich die (potenzielle) Mitgliederbasis von Gewerkschaften – weiblicher, jünger, besser ausgebildet und internationaler. Gewerkschaften kommt zunehmend die Rolle zu, Teilhabe und sozialen Zusammenhalt im rasanten industriellen Wandel sicherzustellen. Dafür müssen sie weit über ihre einstigen Kernkompetenzen hinauswachsen und enger miteinander kooperieren – auch international.
Szenario III: "Neuland"
Vor dem Hintergrund immer massiverer Folgen des Klimawandels und anderer Umweltbelastungen haben viele Staaten der Erde die Notbremse gezogen – und Industrien und Wirtschaftsweisen einem sozial-ökologischen Transformationskurs unterworfen. Für die Unternehmen bedeutet das eine drastische Verschärfung von Umweltauflagen und Nachhaltigkeitsanforderungen. Geschäftsmodelle, die sich nicht umweltgerecht und sozialverträglich realisieren lassen, geraten ins Abseits – und damit hunderttausende Arbeitsplätze in Gefahr. Nachhaltige Produktionsweisen und Produkte werden Zug um Zug zur Voraussetzung für die Betriebsgenehmigung und den Marktzugang – in Deutschland und zunehmend auch in wichtigen Exportmärkten. Den Gewerkschaften – vor allem der IG BCE, die mit Blick auf die ökologische Nachhaltigkeit für hochgradig unterschiedliche Industrien zuständig ist – kommt in diesem tiefgreifenden Wandel die Aufgabe zu, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen – und dafür, dass niemand von den Entwicklungen abgehängt wird. Da der Klimawandel und seine ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen von globalem Ausmaß sind, wird internationale Zusammenarbeit auch bei der Durchsetzung gewerkschaftlicher Interessen immer wichtiger.
Szenario IV: "Tohuwabohu"
Die Holo Filme beim Zukunftskongress
Erstmalig haben wir auf unserem Zukunftskongress mit Holo Filmen gearbeitet – sehr beeindruckend, wenn man im Raum sitzt. Im Film ist es natürlich nur 2 D – wegen der großen Nachfrage stellen wir sie aber trotzdem hier zum Download zur Verfügung. Die Dateien sind alle MP4-Dateien die alle über 300 MB groß sind!